Bye-bye hinderliche Glaubenssätze

Um ganz ehrlich zu sein, dachte ich früher, dass die Auseinandersetzung mit Glaubenssätzen hauptsächlich etwas für Leute ist, die ganz besonders viel meditieren und gerne nackt im Regen – oder wahlweise um das Feuer herum – tanzen. Dann fing ich an hauptberuflich in der Personalentwicklung mit Fokus Leadership Coaching zu arbeiten und es wurde schnell klar, dass mich das Thema Glaubenssätze ab sofort sehr regelmäßig beschäftigen wird. But first things first: 

Was sind Glaubenssätze nochmal? 

Glaubenssätze sind Gedanken, Meinungen und Lebensregeln, die wir als wahr und meist auch als allgemeingültig ansehen. Sie sorgen für Ordnung und Stabilität in unserem Leben und dienen als Erklärungsansätze für alles Neue und bisher Unerklärliche. Mit ihnen machen wir uns die Welt um uns herum begreiflich. Sie leiten uns wesentlich in unserer Entscheidungsfindung. Glaubenssätze werden oftmals bereits in der Kindheit gebildet. Sie sind die Summe prägender Erfahrungen. 

Viele unserer Glaubenssätze z.B. „Ich kann für mich selbst bestimmen“, „Ich werde eine Lösung finden“, „Ich bleibe offen für neue Ideen“ sind sehr sinnvoll und gut, allerdings gibt es auch einige die sich negativ auf uns auswirken, die uns vielleicht sogar ausbremsen – z.B. „Dafür bin ich nicht gemacht“, „Man kann den Menschen nicht vertrauen“, „Ich darf keine Fehler machen“.

Dass solche limitieren Glaubenssätze immer wieder auftauchen kennen wir sicher alle und das ist auch bei Menschen in Leadership-Positionen nicht anders. Bei unserer täglichen Arbeit stellen wir Coaches aber oft fest, dass bei ihnen der Umgang damit besonders wichtig ist.

Wieso ist das für Führungskräfte besonders relevant?

Stellt Euch eine Führungskraft mit dem Glaubenssatz „Ich muss immer gewinnen, egal was es kostet“ vor. Wie fühlt es sich wohl an von dieser Person geführt zu werden? Was für Auswirkungen kann das auf die Kultur in diesem Team haben? Und wie ist es für die Führungskraft selbst?

Vielleicht handelt es sich hier um ein starkes Team, welches motiviert bei der Sache ist und Selbstbewusstsein aus den vielen Erfolgen zieht, welches es wahrscheinlich oft erlebt – von der Führungskraft inspiriert und dem Team getragen. Einige Leute entdecken möglicherweise ganz neue Seiten an sich, weil sie gepusht werden und immer mal wieder die Komfortzone verlassen – und das da oft die unglaublichsten Dinge passieren, haben wir alle schonmal erlebt.

Unter Umständen passiert aber auch genau das Gegenteil: Teammitglieder fühlen sich von den der Führungskraft gesteckten, (über-)ambitionierten Zielen überfordert, sind durch immer währenden Erfolgsdruck gestresst und nehmen ihre Kollegen & Kolleginnen als Konkurrenz wahr. Sie arbeiten auf einmal gegeneinander. Vielleicht entsteht eine Ellenbogen/Jede/r-für-sich-selbst-Kultur. Mitarbeitende und Performance leiden und es sieht so aus, als wenn niemand überhaupt irgendwas gewinnt. 

Dieses von mir überspitzte Szenario allein der Führungskraft zuzuschreiben wäre in meinen Augen nicht richtig; eine Erfahrung die wir mit unseren Klienten und Klientinnen aber immer wieder machen, ist, dass es viel Sinn ergibt, hier anzufangen und einen kleinen „Glaubenssätze-Check“ zu machen. Besonders auch dann, wenn die Führungskraft sich für die neuen Anforderungen rund um New Work wappnen und gesunde und leistungsstarke Teams aufbauen will.

Am Anfang eines solchen Checks steht das bewusst machen der Glaubenssätze und ganz speziell auch der Limitierenden. 

Also schon wieder Selbstreflexion? Ja, unbedingt!

Ich weiß, ich weiß, besonders im Kontext unserer neuen, agilen Arbeitswelt wird das Thema Selbstreflexion gebetsmühlenartig betont, aber eines ist klar: Wir kommen nicht drumherum. Selbstreflexion hilft uns, uns selbst kennenzulernen, Stärken und Schwächen zu identifizieren und uns selbst und andere besser zu führen. Wenn wir das als etabliert akzeptiert haben, dann schlage ich vor, die Erforschung unserer Glaubenssätze oben auf die Selbstreflexions-Agenda zu setzen.

Ich habe schon mal damit angefangen. Eines meiner Themen ist Perfektionismus. Ich will immer alles besonders kompetent, eben perfekt erledigen. Oft ist das gut, aber es ist auch häufig mit Stress und Druck verbunden. Es hat regelmässig weniger schöne Auswirkungen auf mich, auf die Menschen um mich herum und auf meine Familie. Der Glaubenssatz dahinter lautet in etwa so: „Ich kann nur Arbeit abliefern, die dem höchsten Standard entspricht.“

Glaubenssatz identifiziert – und jetzt?

Einmal identifiziert kann ich mich jetzt darauf konzentrieren, diese innere Stimme, die mir „nur der höchste Standard und die beste Qualität zählt“ zuflüstert, wahrzunehmen und etwas leiser zu stellen. Denn gute Arbeit wird immer mein Fokus sein, aber es darf auch mal nur 80% und dadurch für mich viel entspannter sein. (Zumal 80% bei Perfektionisten oft 110% im normalen Leben sind;) 

Angenommen unsere „Ich muss immer gewinnen“-Führungskraft durchläuft einen ähnlichen Prozess. Sie hat den Glaubenssatz wahrgenommen und möglicherweise auch untersucht, was dahinter steckt. Vielleicht ist er einer Unsicherheit entsprungen oder der Erfahrung, dass man besonders gemocht wird, wenn man ein „Gewinner“ ist.  Diese „Wahrheit“ kann jetzt nochmal überprüft und möglicherweise angepasst werden. Auch hier kann man die limitierende Stimme einfach etwas leiser stellen, weil man realisiert hat, dass das absolut ok und vielleicht sogar der bessere Weg ist. Und unter Umständen hat das dann auch eine positive Wirkung auf das Team. 

Etwas, das mir in Hinblick auf limitierende Glaubenssätze übrigens sehr hilft, ist Meditation. Meine Assoziation von damals war also gar nicht so daneben. Und wer weiß, vielleicht werde ich in 5 Jahren bei einem Retreat auf Bali auch nackt ums Feuer tanzen. Ich bleibe offen für neue Ideen. 

von Jules Grant / basic°

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